Lâ ilâhâ illâ Âllâh
  Das Strafsystem im Islam
 

Der Mensch ist ein Geschöpf, das mit bestimmten unveränderlichen Eigenschaften auf die Welt kommt, die er nicht abstellen kann und denen er sich fügen muss. Es handelt sich um seine organischen Bedürfnisse, wie Hunger oder Durst, und um seine ihm angeborenen Instinkte, wie der Selbsterhaltungsinstinkt. Diese Bedürfnisse und Instinkte sind der Motor des Menschen, denn alle seine Handlungen, die er ausführt, werden durch sie motiviert, weil der Mensch immer danach strebt, sie zu befriedigen. Der Mensch isst, trinkt und schläft, weil sein Körper dessen bedarf und er sich zugrunde richten würde, wenn er nur eine dieser Handlungen unterließe. Das heißt, seine organischen Bedürfnisse zwingen ihn zum Essen, zum Trinken und zum Schlafen. Ähnlich verhält es sich mit den Instinkten des Menschen. Beispielsweise geht er Arbeiten, kleidet sich oder häuft Eigentum an und schützt es, um sich selbst zu erhalten, d. h., diese Handlungen sind das Resultat seines Selbsterhaltungsinstinktes. Auf diese Weise lässt sich jede Handlung des Menschen auf eines seiner organischen Bedürfnisse oder auf seinen Anbetungs-, seinen Selbsterhaltungs- oder seinen Arterhaltungsinstinkt zurückführen. Was der Mensch auch tut, er tut es, weil er diese Bedürfnisse und Instinkte hat.

Dass der Mensch Bedürfnisse und Instinkte besitzt, bedeutet nicht, dass er ihnen willenlos ausgesetzt ist. So lässt sich etwa die Befriedigung von Hunger oder Durst zeitlich hinauszögern, so dass der Einzelne keineswegs genötigt ist, ihre Befriedigung auf der Stelle vorzunehmen, sobald sie auftreten. Mit den Instinkten verhält es sich sogar so, dass der Mensch ihre Befriedigung nicht nur hinauszögern kann, sondern dass er den einen oder anderen Trieb, wie etwa den Sexualtrieb, nicht zwingend befriedigen muss. Während nämlich die Nichtbefriedigung der organischen Bedürfnisse tödlich endet, kann der nicht befriedigte Trieb höchstens zu einer Schädigung der Psyche führen. Der Mensch hat also keinerlei Einfluss auf das Vorhandensein seiner Bedürfnisse und Instinkte, doch er hat durchaus einen Willen bezüglich des Zeitpunkts und der Art ihrer Befriedigung.

Der Islam trägt sowohl der Tatsache Rechnung, dass der Mensch organische Bedürfnisse und Instinkte besitzt, als auch der Tatsache, dass der Mensch imstande ist festzulegen, wann und wie er sie befriedigt. Somit befindet sich der Islam in völliger Harmonie mit der Natur des Menschen, denn er verleugnet oder unterdrückt keines seiner Bedürfnisse und keinen seiner Instinkte. Vielmehr weist der Islam dem Menschen den richtigen Weg zu ihrer Befriedigung. Denn der Mensch wird nicht mit dem Wissen über richtig und falsch geboren; ihn interessiert vordergründig nur die Befriedigung seiner Bedürfnisse und Instinkte. Diese Befriedigung liefe chaotisch ab, gäbe man ihm kein regelndes System. Er würde sowohl sich als auch anderen Schaden zufügen. So nähme sich etwa ein hungriger Mensch das Erstbeste, das ihm als Nahrung zur Verfügung stünde, ohne darauf zu achten, ob er sich dadurch das Eigentum eines anderen aneignet. Möglicherweise beginge er in Zeiten einer Hungersnot einen Mord, um an Nahrung heranzukommen. Auch sein Bedürfnis nach Eigentum würde er völlig unkontrolliert stillen und sich ganz einfach durch Diebstahl bereichern, oder aber er ginge seinem Sexualtrieb selbst auf inzestuöse Weise nach. In dieser Form vollzöge der Mensch seine Handlungen, würde man ihm nicht durch Regeln, d. h. Gesetze, aufzeigen, wie er seine Bedürfnisse und Instinkte zu befriedigen hat. Dies verhält sich so, da der Mensch keine angeborene Moral besitzt bzw. mit keinem fertigen Wertesystem auf die Welt kommt, das ihn von falschem Handeln abhalten könnte. Darin unterscheidet er sich nicht vom Tier. Jedoch besitzt er im Gegensatz zum Tier einen Verstand, der ihn begreifen lässt, dass die Notwendigkeit besteht, dass seine Bedürfnisse und Instinkte einer Regelung bedürfen.

Genau an diesem Punkt setzt der Islam an, denn er nimmt die gesetzliche Regelung der menschlichen Bedürfnisse und Instinkte vor, und zwar in Form des islamischen Gesetzes. Der Schöpfer hat den Menschen also nicht nur mit Bedürfnissen und Instinkten erschaffen und ihn dann auf sich allein gestellt gelassen, sondern ihm erklärt, wie er damit umzugehen hat. Daher definiert sich das islamische Gesetz als die Ansprache des Gesetzgebers (in Form von Koran und Sunna) bezüglich der Handlungen des Menschen. Das heißt, das islamische Gesetz zeigt dem Menschen auf, auf welche Art er seine Bedürfnisse und Instinkte befriedigen kann. Es sagt ihm keineswegs, dass er diese unterdrücken soll. Was das organische Bedürfnis des Hungers angeht, so hat der Islam aus einer riesigen Palette von Möglichkeiten im Grunde nur weniges herausgenommen, womit der Mensch seinen Hunger nicht stillen darf, wie etwa das Schweinefleisch. In Bezug auf den Sexualtrieb, so schreibt das islamische Gesetz lediglich vor, dass er in Form der Ehe zu befriedigen ist. Und hinsichtlich des Bedürfnisses nach Eigentum, so gibt der Islam dem Menschen beispielsweise klare Regeln darüber, was und vor allem auf welche Art er etwas besitzen darf. Hierunter fällt z. B. das Verbot von Diebstahl usw. Es lässt sich kein einziges islamisches Gesetz finden, das irgendein Bedürfnis oder auch nur einen Instinkt des Menschen unterdrückt oder sogar verleugnet. Im Vergleich dazu hat eine Weltanschauung wie der Kommunismus den erwiesenermaßen vorhandenen Anbetungsinstinkt negiert und jede Form der Religion verboten.

Der Mensch begreift zwar die Notwendigkeit von Gesetzen zur Regelung seiner Instinkte und Bedürfnisse, aber das Vorhandensein von Gesetzen gewährt keinerlei Garantie, dass der Mensch diese Gesetze auch befolgt. Solange nicht garantiert ist, dass ein Gesetz befolgt wird, solange besitzt es keinerlei Wert. Das Vorhandensein dieses Gesetzes wäre völlig belanglos, weil der Mensch dazu neigt, sich auf die ihm angenehmste und bequemste Art zu befriedigen, ohne Rücksicht auf irgendwelche Gesetze. Er ist so lange ein Sklave seiner Bedürfnisse und Instinkte, solange es keine Maßnahmen gibt, die ihn zur Einhaltung der Gesetze zwingen. Aus diesem Grunde sind nicht nur Gesetze nötig, die dem Menschen aufzeigen, wie er seine Bedürfnisse und Instinkte auf die richtige Art befriedigen soll, sondern auch Gesetze, die dafür sorgen, dass der Mensch sich grundsätzlich an die Gesetzgebung hält. Diese zweite Form der Gesetze bezeichnet man als Strafgesetze. Keine Gesetzgebung kommt ohne Strafgesetze aus. Sie sorgen dafür, dass der Mensch sich an die Gesetze hält. Es wäre utopisch zu denken, dass jeder einzelne Mensch sich freiwillig und vor allem immer an alle Gesetze hält, und selbst ein überzeugter Muslim ist auch nur ein Mensch mit all seinen Schwächen. Gerade weil Allah (t) weiß, dass der Mensch nicht unfehlbar ist, hat Er (t) Strafgesetze offenbart, die ebenfalls islamische Gesetze darstellen. Erst mit dem Wissen um die Konsequenz einer Bestrafung für die Nichteinhaltung eines Gesetzes ist der Mensch willens, sich an Gesetze zu halten. Der kategorische Imperativ, wie ihn Immanuel Kant formuliert hat, kann daher nicht funktionieren. Es lassen sich keine Gesetze aus dem, was die Philosophie als praktische Vernunft bezeichnet, ableiten und vor allem liegt es nicht in der Natur des Menschen, sich aus reinen Vernunftgründen an diese Gesetze zu halten.

Im Gegensatz zu anderen, nichtislamischen Gesetzgebungen stellt das islamische Strafsystem erst die letzte Stufe dar, die Menschen vor einer Flut von Gesetzesübertretungen und Kriminalität zu schützen. In erster Linie ist es die Taqwa, die Gottesfurcht, die den Muslim am stärksten davon abhält, Straftaten, die von Allah (t) als solche festgelegt sind, zu begehen. Das islamische Glaubensbekenntnis beinhaltet als wesentlichen Aspekt den Gehorsam gegenüber Allah (t). Jede Straftat bedeutet Ungehorsam gegenüber dem Schöpfer und als Konsequenz den Zorn Allahs (t). Es ist jedoch das Anliegen des Muslims, das Paradies zu erlangen und der Bestrafung des Feuers zu entgehen, so dass er sich, allein aufgrund seines Glaubens, von Übertretungen fernhält. Dies trägt zwangsläufig zur Verhinderung von Diebstahl, Mord, Vergewaltigung usw. bei. Die Furcht vor dem Zorn Allahs (t) ist somit am effektivsten, um Straftaten zu verhindern. Muslime halten sich selbst dann noch von Gesetzesübertretungen fern, obwohl sie wissen, dass ihnen an dem Ort, wo sie leben, hierfür keine Strafe droht. So hält sich die Mehrheit der Muslime an das Verbot des außerehelichen Geschlechtsverkehrs, wenngleich die meisten Staaten dies nicht unter Strafe stellen. Ebenso meidet die Mehrheit der Muslime jeglichen Alkoholgenuss, auch wenn dies niemand kontrolliert, geschweige denn bestraft. Aufgrund der Taqwa ist die Hemmschwelle viel zu hoch, als dass man ein Gesetz missachtet, selbst wenn man eine diesseitige Strafe nicht erwarten und fürchten muss.

Neben der Gottesfurcht bildet die Gesellschaft selbst einen Schutzwall gegen Verbrechen. Dies gilt jedoch nur für eine islamische Gesellschaft, die erst dann als solche bezeichnet werden darf, wenn die Menschen ausschließlich mit islamischen Gesetzen regiert werden, wenn ihre Vorstellungen, d. h. ihre Ideen, islamisch sind und wenn sie islamisch fühlen. Man muss sich vorstellen, dass in einer islamischen Gesellschaft eine rein islamische Atmosphäre herrscht, wo nicht der Profit oder der Wohlstand im Vordergrund stehen und die Menschen dadurch jeder Verführung erlegen sind, diesen Wohlstand auch unrechtmäßig zu erlangen. Maßstäbe werden durch den Islam anders gesetzt und den Menschen vermittelt: Der Muslim lebt nicht für die diesseitigen Genüsse

Überhaupt herrschen in einer islamischen Gesellschaft ganz andere Bedingungen. So gibt es öffentlich z. B. keinerlei Alkoholausschank, der in den westlichen Gesellschaften die Ursache so vieler Straftaten ist. Auch die Beziehung zwischen Mann und Frau ist in einer islamischen Gesellschaft anders geregelt. Für gewöhnlich gilt die Trennung zwischen beiden, so dass etwa die Gelegenheit des Ehebruchs bereits dadurch gedämmt werden kann. Zudem schafft der Islam innerhalb der Gesellschaft eine öffentliche Meinung gegen Straftaten. Auf diese Weise wird die Gesellschaft selbst zum Kontrollorgan, da sie an der Einhaltung der islamischen Gesetze interessiert ist und daran mitwirkt. Daher ist es kaum denkbar, dass auf öffentlicher Straße eine Straftat begangen wird, ohne dass die Menschen sich dagegen empören und eingreifen. Dass beispielsweise eine Frau an einem öffentlichen Ort und vor Zeugen vergewaltigt wird, wie es in europäischen Ländern bereits vorgekommen ist, ohne dass jemand einschreitet, ist in einer islamischen Gesellschaft völlig ausgeschlossen. So werden sich die Menschen davor hüten, in der Öffentlichkeit als Straftäter aufzufallen und den Unmut der Gesellschaft auf sich zu lenken.

Das islamische Strafsystem ist die letzte Möglichkeit zur Verhinderung eines Verbrechens. Hierbei liegt die Hemmschwelle in der Furcht vor der Strafe als unmittelbare Konsequenz der Straftat. Ziel einer Strafe ist es, denjenigen, der sich schuldig gemacht hat, zu bestrafen und möglicherweise zu bessern, des Weiteren andere abzuschrecken, Straftaten zu begehen, sowie den Opfern die Möglichkeit auf Vergeltung zu geben. Die Bestrafung eines Täters wird, wie in nichtislamischen Systemen auch, vom Staat vorgenommen und nicht von Privatpersonen. Es ist eine rein staatliche Angelegenheit. Eine Bestrafung sollte jedoch den letzten Ausweg bilden und angemessen ausfallen. Denn die Strafgesetze sollen vornehmlich als Abschreckung dienen.

Nur derjenige kann bestraft werden, der für seine Handlungen verantwortlich ist. Dies geht auf folgenden Hadith zurück: "Von dreien ist die Feder enthoben worden: vom Kind, bis es geschlechtsreif wird, vom Schlafenden, bis er erwacht, und vom Irren, bis er zu Sinnen kommt." (Abu Dawud)

Im Islam kann es daher keine Fälle nach dem Beispiel der USA geben, wo Menschen mit geistiger Behinderung der Todesstrafe ebenso ausgesetzt sind wie jeder Gesunde und auch Kinder zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden. Ebenso verhält es sich mit Menschen, die eine Straftat unter Zwang begehen, denn der Prophet (s) hat gesagt: "Meiner Umma wird vergeben für Sünden, die sie unter Zwang tut, aus Versehen oder als Resultat der Vergesslichkeit."

Handelt es sich allerdings um einen Menschen, der seine Handlungen selbst verantwortet, muss eine Strafe verhängt werden. Denn Kriminalität ist weder angeboren noch stellt sie irgendeine Krankheit dar. Hierbei macht der Islam keinerlei Unterschiede unter den Menschen. So sagte der Prophet (s), als es darum ging, eine Frau der Banu Machsum für Diebstahl zu betrafen: "Bei Allah, wenn es Fatima, die Tochter des Propheten wäre, ich schlüge ihr die Hand ab." (Muslim)

Der Islam legt wie keine andere Lebensordnung Wert darauf, dass ein Strafurteil nur dann ausgesprochen wird, wenn die Schuld des Angeklagten ohne jeden Zweifel bewiesen ist. Indizien reichen daher zur Überführung nicht aus, da sie einen zu großen Interpretationsspielraum zulassen. Fingerabdrücke, DNA, Videoaufnahmen usw. sind als alleinige Beweise nicht zulässig, weil sie nicht die 100-prozentige Schuld eines Verdächtigen beweisen können und auch Manipulation nicht ausgeschlossen werden kann. Deshalb kann jeder zweifelhafte Beweis eine Bestrafung verhindern. So sagte der Prophet (s): "Es ist besser, Verbrecher fälschlicherweise laufen zu lassen, als jemand Unschuldigen fälschlicherweise zu bestrafen."

Auf diese Weise verhindert der Islam die Bestrafung eines Unschuldigen und verfährt nach folgendem Prinzip: im Zweifel für den Angeklagten. Sollte man tatsächlich einen Schuldigen davonkommen lassen, so entgeht er dennoch nicht seiner Strafe, denn wer seine Strafe nicht im Diesseits erhält, der schleppt seine Schuld ins Jenseits mit und wird von Allah (t) in noch härterer Form bestraft. Daher ist es für den Muslim nur von Vorteil, wenn er seine Strafe im Diesseits erhält, damit ihm für seine Tat die Bestrafung im Jenseits erlassen wird. Vor diesem Hintergrund haben Muslime zur Zeit des Propheten (s) ihre Strafe selbst eingefordert, auch dann, wenn ihnen die Todesstrafe drohte. Über einen Mann, der eine unerlaubte sexuelle Handlung zugab und seine Strafe dafür erhielt, sagte der Prophet (s): "Er ist angenehmer als der Duft von Moschus bei Allah." (Abu Dawud)

Allerdings muss die Strafe nach dem islamischen Gesetz vorgenommen werden. Das heißt, jemand, der in einem nichtislamischen System lebt und für sein Verbrechen nach nichtislamischem Recht bestraft wird, erhält im Jenseits dennoch seine Strafe, da er die Strafe, die Allah (t) für sein Verbrechen vorsieht, nicht erhalten hat und seine Schuld somit nicht beglichen ist. Es gibt islamrechtlich nur zwei Wege, um eine Straftat gesichert beweisen zu können: entweder das Geständnis des Täters oder aber die Beobachtung der Tat durch Augenzeugen. Ein solcher Augenzeuge ist allerdings nur dann zugelassen, wenn seine Glaubwürdigkeit bestätigt werden kann. Ein eigens dafür eingerichtetes Gericht nimmt die Überprüfung der Zeugen vor, um die Glaubwürdigkeit, von der das Urteil abhängt, zu gewährleisten. Legt der Täter ein Geständnis ab, so muss es auf freiwilliger Basis erfolgen und darf nicht durch Folter erzwungen worden sein. Zieht derjenige jedoch sein Geständnis wieder zurück, muss von seiner Bestrafung abgesehen werden, selbst wenn damit schon begonnen wurde.

Der Richter trägt eine große Verantwortung, wenn er, nach Vorlage und Überprüfung der Beweise, sein Urteil in Form eines islamischen Gesetzes bezüglich des vor ihm vorgebrachten Falles fällt. Menschliche Willkür soll hier ausgeschlossen werden. Der Richter ist strikt an das islamische Gesetz gebunden. So heißt es im Koran: "Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit niedergesandt, auf dass du zwischen den Menschen richtest, wie Allah es dir gezeigt hat […]" (an-Nisa' 4, Vers 105)

Zudem hat der Prophet (s) gesagt: "Es gibt drei Richter; zwei Richter sind im Höllenfeuer, ein Richter ist im Paradies. Ein Mann richtet nicht nach der Wahrheit und weiß dies – er ist im Höllenfeuer. Ein Richter weiß (die Wahrheit) nicht und beschneidet die Rechte der Menschen – er kommt ins Höllenfeuer. Und ein Richter richtet mit der Wahrheit – er ist im Paradies." (Tirmithi)

Ein anderes Mal sagte der Prophet (s): "Oh Ali, wenn zwei Menschen zu dir kommen und dich darum bitten, zwischen ihnen zu richten, richte nicht für den einen, solange du nicht die Worte des anderen angehört hast, damit du weißt, wie du richten sollst." (Ahmad)

Zudem ist der Richter dazu angehalten, die Parteien eines Rechtsstreits gleich zu behandeln: "Wen Allah prüft, indem er ihn Richter werden lässt, sollte nicht den einen Beteiligten an einem Streit neben sich sitzen lassen, ohne den anderen Beteiligten zu holen und neben sich sitzen zu lassen. Und er sollte Allah fürchten, wenn er dasitzt, auf beide blickt und richtet. Er sollte sich davor hüten, auf einen herabzublicken, als ob der andere höher wäre. Er sollte sich davor hüten, den einen anzuschreien und den anderen nicht, und er sollte auf beide Acht geben." Um ein gerechtes Urteil zu gewährleisten, darf der Richter nicht richten, wenn sein Urteilsvermögen in irgendeiner Form beeinträchtigt ist, denn: „Der Richter richtet nicht zwischen zweien, während er zornig ist.“ (Tirmithi)

Für einen Nichtmuslim ist das Verbot bestimmter Handlungen, die der Islam als Gesetzesübertretungen auffasst und die er bestraft, nicht nachvollziehbar, wie etwa das strikte Verbot jeglicher außerehelicher Beziehungen und des außerehelichen Geschlechtsverkehrs (Zina). Doch man kann von einer Gesellschaft, in welcher der Vaterschaftstest zur Normalität geworden ist, auch kein Verständnis erwarten. Der Islam stellt die außereheliche geschlechtliche Beziehung unter schwere Strafe: Für Verheiratete gilt die Steinigung, während bei Unverheirateten die Strafe der Auspeitschung verhängt wird. So heißt es in einem Hadith: "Ein Mann von Alsam kam zum Gesandten Allahs (s) und erzählte ihm, dass er Unzucht beging, und leistete dafür viermal die Zeugenaussage gegen sich selbst. Darauf veranlasste der Gesandte Allahs (s) seine Bestrafung durch Steinigung. Dieser Mann war verheiratet." (Buchari)

Und in einem anderen Hadith heißt es: "Ich hörte den Propheten (s), als er die Strafe gegen denjenigen verhing, der Unzucht beging und nicht verheiratet war, dass dieser hundert Peitschenhiebe bekam und aus der Gemeinde für ein Jahr verbannt wurde." (Buchari)

Zudem heißt es im Koran: "Der Unzucht Begehenden und dem Unzucht Begehenden verabreicht hundert Peitschenhiebe." (an-Nur 24, Vers 2)

Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jemand für dieses Vergehen in dieser Form bestraft wird, aufgrund der vom Islam geforderten Beweise äußerst gering ist. Denn es müssen mindestens vier Zeugen gesehen haben, dass der Geschlechtsakt tatsächlich vollzogen wurde und die Personen sich nicht nur gemeinsam an einem Ort, wenn auch unrechtmäßig, zusammengefunden haben. In Anbetracht der Tatsache, dass ein solches Vergehen nicht in der Öffentlichkeit geschieht, kann man davon ausgehen, dass es kaum möglich sein wird, vier Augenzeugen zu finden, die das Geschehen beobachten haben. Der Islam legt bei der Zeugenaussage strengste Kriterien an. Weichen die Aussagen geringfügig voneinander ab, gilt das Vergehen nicht als Zina und kann auch nicht als solches bestraft werden. Dass jemand tatsächlich mit der für Zina vorgesehenen Strafe bestraft werden kann, ist durch ein Geständnis des Betroffenen viel wahrscheinlicher als durch das Vorhandensein von vier Augenzeugen. Daher ist die Rechtmäßigkeit der heute immer wieder auftretenden Fälle von Steinigungen vor dem Hintergrund der vom Islam geforderten Beweisführung anzuzweifeln, zumal es derzeit keinen Staat gibt, der das islamische Recht vollkommen und in islamisch geforderter Weise durchführt. Hierfür ist ein Staat erforderlich, der die islamischen Gesetze in allen Bereichen menschlichen Lebens dauerhaft implementiert und der seine islamische Legitimität nicht nur daraus ableitet, dass er die eine oder andere Strafe – zudem falsch – anwendet. Auch Diebstahl ist eine kriminelle Handlung, die der Islam schwer ahndet, schlimmstenfalls mit dem Abschlagen der Hand.

Allah (t) sagt im Koran: "Und dem Dieb und der Diebin, so schlagt ihnen die Hand ab als Vergeltung für das, was sie begangen haben, und als Abschreckung von Allah."(al-Ma'ida 5, Vers 38)

Dass diese Strafe an strenge Kriterien gebunden ist und nicht bei jedem Diebstahl erfolgt, wissen jedoch die wenigsten. Das Diebesgut muss zunächst einen festgelegten Mindestwert besitzen. Hierzu lautet ein Hadith: "Die Strafe des Handabschlagens wird vollzogen, wenn der Wert der entwendeten Sache ein Viertel Dinar und aufwärts ausmacht." (Buchari) Zudem muss sich das Entwendete in einem geschützten Raum befunden haben, und es muss dem Bestohlenen eindeutig zugeordnet werden können, ohne dass beispielsweise der Dieb Teilhaber des Geschädigten ist und das Gestohlene den Besitz beider aus einer gemeinsamen geschäftlichen Beziehung darstellt. Der Dieb darf nicht aus Hunger und Not gestohlen haben usw. Vor allem gilt aber auch hier die Bedingung, dass der Dieb entweder gesteht oder aber zwei Zeugen den Diebstahl beobachtet haben müssen. Nur dann kann die Strafe des Handabschlagens tatsächlich vollzogen werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Dieb ungestraft davonkommt, wenn die einzelnen Bedingungen nicht erfüllt sind, d. h., wenn z. B. das Diebesgut nicht den Mindestwert von einem Viertel Dinar erreicht. Es bedeutet lediglich, dass der Täter nicht mit Handabschlagen bestraft werden darf.

Die Strafe für Unzucht sowie die Bestrafung durch Handabschlagen sind Hudud-Strafen. Hudud ist eine von insgesamt vier Kategorien. Bei der Hudud-Strafe handelt es sich um eine Strafe, die konkret von Allah (t) festgelegt ist. Das heißt, Allah (t) hat für bestimmte Vergehen ganz bestimmte Strafen vorgeschrieben. Jemand, der Ehebruch begeht, muss somit mit Steinigung bestraft werden. Es darf in diesem Fall keine Gefängnisstrafe verhängt werden. Ein Unverheirateter, der Unzucht begeht, muss, nachdem seine Schuld bewiesen ist, hundert Peitschenhiebe erhalten, Es dürfen keine neunundneunzig Peitschenhiebe sein und auch nicht hundertundeins. Man muss sich exakt an die Vorgaben von Allah (t) halten. Zudem liegt das Recht allein bei Allah (t), eine Tat, die unter Hudud fällt, zu vergeben. Ist ein Dieb erst einmal überführt und seine Schuld bewiesen, so dass die Strafe des Handabschlagens vollzogen werden kann, dann kann nicht einmal das Opfer des Diebes diese Tat vergeben und auf seine Bestrafung verzichten. Die Strafe ist nur dann hinfällig, wenn Beweise den Täter entlasten.

Eine weitere Kategorie im islamischen Strafsystem ist die der Dschinayat. Hierunter fallen all diejenigen Taten, bei denen ein Mensch zu Tode kommt. Für den Mörder, der vorsätzlich gehandelt hat, gilt die Todesstrafe, jedoch nur auf der Grundlage eines Geständnisses oder der Aussage von mindestens zwei Augenzeugen. Dies ist die von Allah (t) festgesetzte Strafe. So sagte der Prophet (s): "Das Blut eines Muslims, der bezeugt, dass es keinen Gott gibt außer Allah, darf nicht vergossen werden außer in einem von drei Fällen: im Fall der Wiedervergeltung für Mord, im Fall der Unzucht durch einen Verheirateten und wenn derjenige von seinem Glauben abfällt und seine Bindung zur Gemeinschaft löst." (Buchari)

Und im Koran sagt Allah (t): "Es ist euch die Wiedervergeltung vorgeschrieben für die Getöteten: der Freie für den Freien, der Sklave für den Sklaven, das Weibliche für das Weibliche. Doch wenn jemandem von seinem Bruder etwas vergeben wird, so soll der Vollzug auf geziemende Art und die Leistung ihm gegenüber auf wohltätige Weise geschehen." (al-Baqara 2, Vers 178)

Wie im Falle von Hudud hat Allah (t) eine bestimmte Strafe, nämlich die Todesstrafe, für Mord vorgeschrieben. Doch im Gegensatz zur Hudud-Strafe hat Er (t) hier dem Menschen (d. h. den Angehörigen des Opfers) eingeräumt, die Tat zu vergeben, auf die Tötung des Mörders zu verzichten und dafür eine festgelegte Entschädigung (Diyya) vom Mörder anzunehmen. Eine vom Islam festgeschriebene Entschädigung wird auch in Fällen geleistet, in denen eine Person nicht vorsätzlich getötet wird. Denn die Todesstrafe gilt nur für den vorsätzlichen Mord.

Die dritte Strafkategorie ist die Ta'zir-Strafe. Mit der Ta'zir-Strafe werden jene Sünden bestraft, die weder unter die Hudud- noch unter die Dschinayat-Strafe fallen. Ein Dieb wird beispielsweise mit der Ta'zir-Strafe bestraft, wenn bei ihm die Bedingungen für die Strafe des Handabschlagens nicht alle erfüllt sind. Ebenso werden zwei Personen damit bestraft, wenn sie sich zum außerehelichen Geschlechtsverkehr zusammengefunden haben, dieser aber nicht vollzogen wurde. In Fällen der Ta'zir-Strafe besteht zudem die Möglichkeit, dass der Kalif die Tat vergibt und von einer Bestrafung absieht. Er legt die Strafen für diese Vergehen fest. Dies kann von einer Geldstrafe über Auspeitschen oder Gefängnisstrafe bis hin zu Tod oder Verbannung gehen. Es kann auch je nach Umstand vorkommen, dass der eine Täter mit Gefängnis bestraft wird, während ein anderer für dieselbe Tat nur getadelt wird. Was die Gefängnisstrafe angeht, so darf sie niemals lebenslänglich verhängt werden, sondern dient zur Besserung des Täters.

Als Vergehen werden auch jene Taten betrachtet, die eine Missachtung der Befehle und Anordnungen des Kalifen oder seiner Helfer und Verwalter darstellen, die von ihm Vollmachten erhalten haben. Denn die Befehle des Kalifen sind für die Muslime bindend, da Allah (t) sie zum Gehorsam gegenüber dem Kalifen verpflichtet.

Im Koran sagt Er (t): "Gehorcht Allah und gehorcht dem Propheten und jenen, die unter euch die Befehlsgewalt innehaben." (an-Nisa' 4, Vers 59)

Da es der Kalif ist, der die Befehlsgewalt innehat, so kommt der Ungehorsam ihm gegenüber dem Ungehorsam gegenüber Allah (t) und dem Propheten (s) gleich. Der Kalif hat das Recht, Strafen für das Missachten seiner Befehle festzulegen. Diese Missachtungen werden als Muchalafat bezeichnet und stellen die vierte Kategorie der Straftaten dar. Es kann also sein, dass Allah (t) den Menschen eine Sache freigestellt hat, doch sobald der Kalif sich festlegt und ein Gesetz diesbezüglich erlässt, sind die Muslime daran gebunden, da Allah (t) dem Kalifen dieses Recht eingeräumt hat. Und so stellt es eine Sünde dar, sich diesen Anordnungen zu widersetzen.

Das bisher Gesagte kann lediglich einen groben Überblick über das islamische Strafsystem verschaffen, dass viel komplexer ist, als es hier dargestellt werden kann. So abschreckend dieses Strafsystem auf den einen oder anderen wirken mag, sollte eines nicht vergessen werden: Welcher Kategorie eine Strafe auch immer angehört, sie stellt immer eine Schutzmauer vor der Strafe Allahs (t) im Jenseits dar. Nicht nur, dass demjenigen seine Strafe im Jenseits erlassen wird, der bereits im Diesseits nach den Vorgaben des Islam bestraft wird, die Umsetzung des islamischen Strafsystems an sich stellt eine effiziente Abschreckung dar, so dass die Hemmschwelle für Vergehen an sich hoch ist und der Mensch sich davon fernhält. Das heißt, die Zahl für Kriminalität und Verbrechen kann dadurch nur geringer sein als in nichtislamischen Strafsystemen. Denn jemand, der beispielsweise weiß, dass ihm bei Diebstahl der Verlust seiner Hand droht, wird eher dazu neigen, von seinem Vorhaben abzulassen, als jemand, der weiß, dass Diebstahl nur als Bagatelle geahndet wird. Und so ist es nur zum Nachteil für die Muslime, dass das islamische Strafsystem nirgendwo auf der Welt richtige Umsetzung findet. Das islamische Strafsystem kann zwar nicht verhindern, dass die Kriminalität völlig verschwindet, denn der Mensch ist nicht unfehlbar, doch es kann sie um ein Beachtliches reduzieren, und vor allem kann es das Gefühl von Schutz und Sicherheit innerhalb der Gesellschaft gewährleisten.

 
   
 
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